FABW- und Alumni-Filme im Programm von DOK Leipzig
Vom 28. Oktober bis 03. November findet die 67. Ausgabe von DOK Leipzig, dem renommierten Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, statt. Im Deutschen Wettbewerb Dokumentarfilm konkurriert mit MORIA SIX (Regie: Jennifer Mallmann*) auch eine Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg um die begehrte, mit 10.000 Euro dotierte Goldene Taube. In der Sektion Young Eyes, die sich an Schüler*innen und junge Menschen ab 12 Jahren richtet, wird der Langfilm SISTERQUEENS (Regie: Clara Stella Hüneke) präsentiert.
Der Deutsche Wettbewerb versammelt neun lange Dokumentarfilme, allesamt Weltpremieren. Dazu gehört auch der knapp 90-minütige MORIA SIX. In ihrem Diplom-Dokumentarfilm wagt Regisseurin Jennifer Mallmann einen zweiten Blick auf das Flüchtlingslager Moria, in dem es im September 2020 zu einem verheerenden Brand kam. Nach der Zerstörung des Lagers wurde es sowohl vor Ort als auch im öffentlichen Diskurs erschreckend still. Weder die unmenschlichen Zustände an Europas Außengrenzen noch die regelmäßigen Pushbacks im Mittelmeer rückten ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Auch die Verhaftung von sechs Jugendlichen, die der Brandstiftung beschuldigt wurden, blieb größtenteils unbeachtet, obwohl der Prozess viele Zweifel aufwarf. Im Fokus des Films steht Mallmanns Briefwechsel mit Hassan, einem der verurteilten Jugendlichen, der von seinem Alltag im Gefängnis berichtet. In ruhigen, präzisen Bildern zeigt MORIA SIX die Mechanismen der europäischen Abschottungspolitik, die Menschen wie Kriminelle behandelt, eingesperrt in futuristische Hochsicherheitslager.
In ihrem Langfilm SISTERQUEENS erzählt Dokumentarfilm-Studentin Clara Stella Hüneke die bewegende Geschichte von drei jungen Berlinerinnen und ihren ersten Schritten in der Hip-Hop-Kultur. Jamila ist neun, Rachel elf und Faseeha zwölf, als sie sich bei einem Rap-Projekt kennenlernen. Schnell werden sie Freundinnen und starten mit ihrer Crew Sisterqueens durch. Über vier Jahre hinweg begleitet dieser Dokumentarfilm die drei Mädchen in ihrem Alltag mit Eltern, Geschwistern und ihrer außergewöhnlichen Hip-Hop-Wahlfamilie, in der sie nicht nur viel über Hooklines, sondern auch über Selbstachtung lernen. Wir sehen sie bei Proben, Studioaufnahmen und Bühnenauftritten, wo sie den gängigen Geschlechterklischees im Rap mit ihren eigenen Songs entgegentreten. Sie tauschen sich über ihre Erfahrungen mit Rassismus und Ausgrenzung aus und verarbeiten das Erlebte in Reimen. Während Faseeha die Grenzen anderer künstlerischer Ausdrucksformen testet, denkt Rachel über die Bedeutung von Selbstbestimmung nach. Jamila wird Zeugin eines beängstigenden Zwischenfalls, der sie an der Vernunft der Polizei zweifeln lässt. Immer mit Humor und prägnant formulieren sie ihre Ideen und Fragen zum Ich-Sein.
Irina Rubina*, Absolventin des Animationsinstituts der FABW, präsentiert im Internationalen Wettbewerb Animationsfilm ihren neuen Kurzfilm CONTRADICTION OF EMPTINESS. In ihrem autobiografischen Werk thematisiert sie die Entfremdung von ihrer russischen Muttersprache, die durch Verbrechen belastet ist, und ihre Schwierigkeiten, im Deutschen eine neue Heimat zu finden. Visuell nutzt Rubina die Pinscreen-Technik, um durch Licht- und Schattenwechsel die emotionale Zerrissenheit eindrucksvoll darzustellen.
Stefan Schomerus, ebenfalls Animations-Abolvent aus Ludwigsburg, hat für die Sektion Kids DOK zum 65-jährigen Jubiläum eine neue Folge von UNSER SANDMÄNNCHEN (DIE REISE ZUR TRAUMSANDMÜHLE) im Gepäck.
Die FABW-Ehemaligen Anja Reiß und Jann Anderegg stellen in der Sektion DOK Neuland: Interactive Cinema ihren Dokumentarfilm TRACES OF RESPONSIBILITY vor. Er wirft einen Blick auf das Land Ruanda, das sich dreißig Jahre nach dem Genozid in einem Spannungsfeld zwischen Trauma und Hoffnung bewegt.
Und im Wettbewerb Doc Alliance Award zeigt FABW-Absolventin Nicole Vögele ihr neues Werk THE LANDSCAPE AND THE FURY. Der Film beleuchtet die trügerische Idylle an der bosnisch-kroatischen Grenze, wo noch immer Minen als Überreste des Bosnienkriegs zu finden sind. Gleichzeitig zeigt er das Leid der Migrant*innen, die in dieser gefährlichen Umgebung ihren Weg suchen. Vögele beobachtet die Menschen und die Natur, ohne direkte Fragen zu stellen, und fängt den stillen Kontrast zwischen alltäglichem Leben und der brutalen Realität ein.
Das Festival DOK Leipzig besteht seit über 60 Jahren. Während des Kalten Kriegs war das 1955 gegründete Festival ein wichtiger Ort des künstlerischen Austauschs zwischen Filmemacher*innen aus Ost und West. Sowohl Dokumentar- als auch Animationsfilm waren von Beginn an Bestandteil des Programms, das von Filmen mit einer starken künstlerischen und persönlichen Handschrift geprägt ist. Als Schaufenster für internationale Dokumentar- und Animationsfilme ist es in der Kombination dieser beiden Sparten einzigartig. Insgesamt präsentiert das Festival 209 Filme und XR-Arbeiten aus 55 Ländern. Zudem lockt der Branchentreff DOK Industry jedes Jahr zahlreiches Fachpublikum an.
*Jennifer Mallmann und Irina Rubina sind Stipendiatinnen der Baden-Württemberg Stiftung und haben im Rahmen ihres Studiums an einem internationalen Partnerprogramm teilgenommen.
Weitere Infos zum Festival:
www.dok-leipzig.de
Filmcredits (Quelle: Elektronischer Projektordner FABW)
MORIA SIX
https://www.dok-leipzig.de/film/moria-six/programm
Regie: Jennifer Mallmann
Produzent: Matthias Drescher
Herstellungsleitung: Max Brunner
Producerin: Svenja Vanhoefer
Bildgestaltung: Sina Diehl
Montage: Maxie Borchert
Ton: Vincent Egerter
Filmmusik: Clemens Gutjahr
Sounddesign: Timo Kleinemeier
Farbkorrektur: Jakob Sinsel
Motion Design: Tatjana Theuer
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg und FFL Film- und Fernsehlabor Ludwigsburg in Zusammenarbeit mit dem SWR und der MFG
SISTERQUEENS
https://www.dok-leipzig.de/film/sisterqueens/programm
Regie: Clara Stella Hüneke
Bildgestaltung: Paola Calvo
Montage: Andreas Bothe
Filmmusik: Jonas Vogler
Sounddesign: Vincent Egerter
Ton: Fanny Huder, Aline Juárez, Sarah Mounia Kachiri, Ariane Wagner
Mischung: Max Kersten
Dramaturgin: Rebecca Ajnwojner
Koproduktion: ZDF Kleines Fernsehspiel
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg GmbH